Darf man einen bekannten Fernseh-Star einfach so von der Seite anquatschen? Und mitten aus einem Gespräch reißen? Man darf. Zumindest, wenn es sich dabei um ChrisTine Urspruch aus dem beliebten „Münster-Tatort“ handelt. „Selbstverständlich machen wir ein Foto“, sagt die Krimi-Darstellerin freundlich lächelnd. Sie zeigt sich herrlich unkompliziert und schlägt auch gleich die Location vor. „Am besten hier auf der Bühne, oder?“ Sekunden später klickt die Kamera und friert das Motiv für die Schulgeschichte ein: sechs Schülerinnen und Schüler der Kaufmännischen Schulen sowie Lehrer Claus Schrichten gemeinsam mit der Kölner Schauspielerin. Und die vergisst nach dem spontanen Foto-Shooting auch nicht, den Rheinensern zu gratulieren: „Herzlichen Glückwunsch zu eurem Preis.“ (Gruppenfoto links: Die Preisträger aus Rheine und die Tatort-Schauspielerin: (hinten, v. li.) Phillis Wohlgemuth, Michelle Scheuermann, Vanessa Mollenhauer, ChrisTine Urspruch, Claus Schrichten, Ellen Schremser sowie Benjamin Schlepers und Pascal Rehr (vorn))
Denn die ganz große Bühne gehört an diesem Vormittag in der DZ Bank in Berlin nicht ihr, sondern vor allem den Gewinnern des Förderpreises der gemeinnützigen Stiftung „Aktive Bürgerschaft“. In der Kategorie „Schulen“ geht einer der drei Anerkennungspreise in Höhe von 1000 Euro an den Kurs „sozialgenial“ aus dem Wirtschaftsgymnasium der Kaufmännischen Schulen. „Es ist eine Ehre neben so tollen Gewinnern diesen Preis gewonnen zu haben“, ist Schüler Benjamin Schepers beeindruckt von der Atmosphäre. Über die Auszeichnung freut sich auch Olga Friesen von der VR-Bank Kreis Steinfurt, die als Leiterin der Hauptgeschäftsstelle Rheine ebenfalls an der Preisverleihung teilnimmt.
Die Sonne strahlt mit den Schülerinnen und Schülern um die Wette, als die Gruppe aus Rheine am Tag der Ehrung gegen 10 Uhr morgens pünktlich am Gebäude der DZ Bank eintrifft. Erste Adresse im Herzen der Hauptstadt, direkt neben der Akademie der Künste und dem legendären Hotel Adlon gelegen, nur eine Gehminute vom Brandenburger Tor entfernt. Die ersten Gäste haben in der lichtdurchfluteten Halle bereits Platz genommen, am Ende werden es einige Hundert sein, die aus ganz Deutschland angereist sind. Das wertet den Anerkennungspreis für die Schüler-Gruppe aus Rheine noch einmal auf.
Die gemeinnützige Stiftung Aktive Bürgerschaft ist eine Initiative der Volksbanken Raiffeisenbanken. Sie fördert bürgerschaftliches Engagement und unterstützt bundesweit mehr als 400 Bürgerstiftungen. Besonders in Blickfeld der Bank liegen die Schulen, dazu wurde das Service-Learning-Programm „sozialgenial“ ins Leben gerufen. Es ist ein Lehr- und Lernkonzept, das Unterricht und soziales Engagement verbindet. Schülerinnen und Schüler setzen dabei ihre kreativen Ideen um und verbinden ihren Einsatz für die Gesellschaft mit Unterrichtsinhalten, an den Kaufmännischen Schulen zum Beispiel im Fachbereich Wirtschaft.
Denn die damalige Jahrgangsstufe 12 organisierte am 26. Mai im vergangenen Jahr auf dem Staelschen Hof ein Spendenkonzert mit vier Rheiner Bands. Gleich die Auftaktveranstaltung von „Rheine rockt“ lockte rund 300 Leute in die Innenstadt und sorgte für ein musikalische Highlight im Veranstaltungskalender. Durch den Verkauf von Speisen und Getränken sowie durch die Unterstützung des Hauptsponsors, der VR Bank Kreis Steinfurt, kamen 2000 Euro zusammen. Weitaus mehr, als die angehenden Kaufleute erwartet hatten.
Und wohin nun mit dem Geld? Der „gute Zweck“ für die Spende war schnell ausgemacht: Er floss auf das Konto des Vereins „Berliner Jungs“. Der kümmert sich um Jungen und junge Männer, die sich prostituieren müssen, um überleben zu können. Als Botschafter dieser Hilfsorganisation hatten die Schülerinnen und Schüler vorher mit Daniel-Rene´ Hartmann einen Mitarbeiter kennen gelernt, der ihnen hautnah und beeindruckend vom Leben der Betroffenen berichtet hatte.
Das mit sehr viel Aufwand auf die Bühne gebrachte Benefiz-Konzert überzeugte dann auch die unabhängige Jury der Aktiven Bürgerschaft. Und nun stehen stellvertretend für die Kaufmännischen Schulen Ellen Schremser und Pascal Rehr gemeinsam mit Lehrer Claus Schrichten auf „ihrer“ Bühne und nehmen den verdienten Applaus entgegen und berichten von ihrem Projekt. „Es ist spannend zu sehen, wie viele unterschiedliche Möglichkeiten es gibt, sozial aktiv zu sein“, meint Pascal anschließend. Und für Ellen ist die Preisverleihung „sehr beeindruckend“ und ein besonderes Erlebnis ihrer Schulzeit. Vanessa Mollenhauer findet vor allem die „Gespräche mit den anderen Preisträgern sehr spannend“.
Dazu haben alle nach dem offiziellen Teil genügend Gelegenheit. Doch während die übrigen Gäste vielleicht noch einmal ihr Sektglas füllen oder am Buffet vorbeischauen, sitzt die Delegation aus Rheine schon wieder in der U-Bahn. Richtung Neukölln, wo der Verein „Berliner Jungs“ zu Hause ist. Wenn Schüler und Lehrer schon einmal in Berlin sind, dann wollen sie auch sehen, wofür sie gespendet haben.
Mitarbeiter Lukas Weber empfängt die Gruppe und berichtet sehr einfühlsam davon, mit welch perfiden Methoden Täter das Vertrauen ihrer jungen Opfer gewinnen, sie emotional abhängig machen und missbrauchen. Auch über die Arbeit der Mitarbeiter in der Anlaufstelle erfahren die Schüler Wissenswertes, das sie in Rheine weitergeben können. „Das Treffen bei den ,Berliner Jungs´ war aufregend und es war sehr bewegend zu sehen, dass es Menschen gibt, die sich so intensiv gegen Kindesmissbrauch und Kinderprostitution einsetzen“, lautet die Besuchs-Bilanz von Vanessa. „Die Vielfältigkeit der Aktionsbereich der ´Berliner Jungs´ ist wirklich beeindruckend“, ergänzt Ellen.
Die prägenden Berlin-Erfahrungen sorgen in Rheine sicher für einen Schub in Sachen „sozialgenial“. Denn längst planen die 12er des Wirtschaftsgymnasiums die 2. Auflage von „Rheine rockt“. Also bitte vormerken: 6. Juli ab 18 Uhr auf dem Staelschen Hof. Apropos: Wann wird eigentlich der nächste Münster-Tatort gedreht? Unter Umständen ist ChrisTine Urspruch ja am 6. Juli in der Aaseestadt und hätte Lust auf „Rheine rockt“. Vielleicht einfach mal von der Seite anquatschen…?