Für die einen sind sie nicht mehr als schnöde Quittungen für bezahltes Porto. Für die anderen aber sind sie kunstvolle Sammlerstücke von großem Wert. Wie für Stuart Weitzmann. Kennen Sie nicht? Der amerikanische Schuhdesigner sammelt Briefmarken – und legte 2014 für die „Britisch Guiana 1c Magenta“ mal eben schlappe sieben Millionen Euro auf den Tresen von Edel-Versteigerer Sotheby´s. Damit ist die Ein-Cent-Marke das teuerste philatelistische Sammler-Stück der Welt.
Die Briefmarken, die unsere Schulsekretärin Ulrike Schulte-Austum tagtäglich so unter die aufmerksamen Augen kommen, reichen an diesen Wert nicht im Entferntesten heran. Dennoch hat die ehemalige Sammlerin die kleinen Kunstwerke fest im Blick. Nicht etwa, um dann irgendwann doch noch eine Rarität in der Schulpost zu entdecken. Sie möchte ganz einfach helfen und die Briefmarken-Aktion der Bethel-Stiftung unterstützen. Die „von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel“, kurz Bethel, genannt, sind mit rund 20.000 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber in der Stadt Bielefeld. Bethel, das ist eine diakonische Einrichtung, in der Menschen mit Behinderung, psychischen Beeinträchtigungen, Epilepsie, alte und pflegebedürftige Menschen, Kranke, Jugendliche mit sozialen Problemen sowie Wohnungslose betreut werden.
Schon seit 1888 gibt es in Bethel die Briefmarkenstelle. Ganze Briefmarkensammlungen, prall gefüllte Alben, von Briefumschlägen und Postkarten nicht abgelöste einzelne Briefmarken sowie neuwertige Marken werden täglich an die Briefmarkenstelle in Bethel geschickt. Die Zahlen sind beeindruckend: 90.000 Einsendungen – oder rund 130 Millionen Marken – finden jedes Jahr den Weg nach Bethel. Sie bringen ein Gesamtgewicht von umgerechnet 29 Tonnen auf die Waage. Von den dort beschäftigen Menschen mit einer Behinderung werden die Marken gesichtet, geschnitten, teilweise abgelöst, getrocknet und sortiert und somit für den Wiederverkauf an Sammler und an Briefmarkenhändler vorbereitet. 125 Frauen und Männer finden durch diese Briefmarken-Aktion einen Arbeitsplatz in Bethel. Und nicht nur das, die Arbeit garantiert soziale Kontakte, schenkt Selbstbestätigung und gibt den Menschen das Gefühl gebraucht zu werden.
Dass diese Arbeitsplätze auch weiterhin enthalten bleiben, dazu möchte Ulrike Schulte-Austum beitragen. Vor dem Eingang zum Sekretariat hat sie unübersehbar einen großen Sammelkarton für Bethel aufgestellt. „Ich würde mich freuen, wenn sich möglichst viele Kolleg*innen, aber auch Schüler*innen, an der Aktion beteiligen“, sagt Ulrike und fügt hinzu: „Bitte denkt beim Entfernen der Briefmarken von den Umschlägen daran, dass dieses großzügig erfolgt, der Stempel unversehrt bleibt und die Marken nicht eingerissen werden, denn sonst sind sie für Sammler*innen uninteressant.“ Da spricht die Briefmarken-Fachfrau.
Auf den Briefen, die täglich in den Kaufmännischen Schulen eintrudeln, wird sicher keine „Britisch Guiana 1c Magenta“ zu entdecken sein. Egal. Die Hilfe, die hinter den 08/15-Marken steckt, ist ohnehin viel wertvoller…