Abschlussfeier Handelsschule

Mit allem hat Kristina gerechnet. Damit, dass Schulleiter Ralf König ihr das Abschlusszeugnis der Handelsschule überreicht. Dass Klassenlehrerin Petra Stegemann ihr herzlich gratulieren wird. Und dass sie mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern aus der HSB 3 auf den Erfolg anstoßen kann. Nur damit nicht: Ihr Freund Eren, der gerade auf der Bühne in der Aula der Kaufmännischen Schulen gemeinsam mit Nils aus der HSB 1 die Abschluss-Rede hält, stockt plötzlich, greift unter das Rednerpult und stürmt im selben Moment von der Bühne Richtung erste Stuhlreihe, um ihr eine Rose zu überreichen. Beide Festredner hatten soeben darüber philosophiert, dass die Kaufmännischen Schulen nicht nur ein Ort zum Lernen sind, sondern auch einer, an dem viele aus der Jahrgangsstufe neue Freunde gefunden haben. „Eren meint eigentlich: die große Liebe gefunden haben“, kommentiert Nils trocken vom Pult den blumigen Zwischenspurt Erens, den das ebenfalls überraschte Publikum spontan mit Beifall honoriert.

Wer mit langen Reden gerechnet hat, der wird nun schnell eines Kürzeren belehrt. Prägnant und knackig die Ansprachen, aber dennoch mit viel Gefühl und Witz vorgetragen. „Weißt du noch?“, unter diesem Motto steht die Entlassfeier der Einjährigen Berufsfachschule I und II, kurz Handelsschule genannt. 10 Schülerinnen und Schüler haben den Hauptschulabschluss erreicht, 49 den Mittleren Bildungsabschluss. Und so strahlen an diesem letzten Tag in der Schule die Gesichter mit der Sonne um die Wette.

Und aus dem Strahlen wird oftmals ein lautes Lachen, denn eine bunte Foto-Show mit zum Teil lustigen Schnappschüssen erinnert an das abgelaufene Jahr: Sozialkompetenztraining, Blick in den Klassenraum, gemeinsames Essen im Restaurant, Höhenflüge im Kletterpark Ibbenbüren – Weißt du noch?

Im Handumdrehen hat das Damen-Duo das Publikum hinter sich. Beide kommen gut an, wenn sie sich passend zum „sentimentalen Teil unserer Moderation“ gegenseitig ein Taschentuch reichen oder eine selbstgebastelte Uhr ans Rednerpult hängen, um die Lehrer zu erinnern: Zeit für Zeugnisse. Würde dort das Fach „Moderieren“ stehen, stünde dort: souveräne Leistung. Die stellvertretende Schulleiterin Elke Simon kommentiert es auf ihre Weise: „Ich bin ganz ergriffen.“

Was man von Eren und Nils nicht behaupten kann. Auch sie möchten auf den Abschluss trinken, haben aber vergessen, dass sie Maske tragen. „Weg damit“, mit diesen Worten landet das nervige Ding im Mülleimer. Hat durchaus große Symbolkraft, dieser kleine Gag zum Einstieg. Dann erinnern beide an die angespannte Gefühlslage am ersten Tag: „Was erwartet uns in der neuen Schule, wie sind die Mitschülerinnen und Mitschüler? Schauen die nur auf die Noten oder kann man mit ihnen gut zusammenarbeiten“, erinnert sich Nils an die brennenden Fragen zum Schulauftakt. „Und die Lehrerinnen und Lehrer, sind sie streng oder kann man mit ihnen auch mal privat reden“, sagt Eren und erinnert sich, dass er in der falschen Klasse gelandet ist. „Da bin ich gleich am ersten Tag rausgeflogen“, erzählt er unter dem Schmunzeln des Publikums. Wisst ihr noch? Doch ernst ist beiden der Dank ans Lehrerkollegium: „Ohne Sie hätte wir es nicht geschafft.“

Petra Stegemann sorgt für den musikalischen Rahmen am Klavier und hat laut den Worten von Bildungsgangleiterin Doris Dingwerth „ihren ersten öffentlichen Auftritt“. Dem Applaus nach zu urteilen könnten weitere folgen.

In den Genuss eines kühlen Sektes kommt der Schulleiter, der in seine Glückwünsche „ihre Eltern, Geschwister und alle, die sie unterstützt, gestützt und vielleicht getragen haben“ einschließt. Beim Nachdenken über das Motto sei ihm in den Sinn gekommen, „dass Sie während des Schulbesuches bei uns trotz der kurzen Dauer relativ viele Dinge kennengelernt haben, die für Sie neu waren.“ Als Beispiel nannte er die Software Office 365, die in Corona-Zeiten allen das digitale Lernen näher brachte und stets den Kontakt zu den Lehrkräften ermöglichte. Die Vorbereitung auf das Berufsleben durch das Kennenlernen relevanter Fächer, aber auch die positiven Erlebnisse mit den Lehrerinnen und Lehrer, „die aus meiner Sicht stets um Ihr Wohlergehen und um Ihren Erfolg bemüht waren“, nannte er als weitere Bausteine.

Dass dieses Bemühen auf fruchtbaren Boden fiel, zeigt die Zeugnisübergabe durch die Klassenleitungen Claus Schrichten, Dieter Tebbe, Doris Dingwerth und Petra Stegemann. Auch hier ist langes Labern verpönt. In den knappen Sätzen ist aber immer wieder zu hören: die Wertschätzung für die Leistung, die Wertschätzung für die Schülerinnen und Schüler selbst.

Taha Azam aus der HSA (Note 1,6) und Lucija Banadinovic (1,0) müssen gleich zweimal auf die Bühne, sie bekommen zusätzlich noch Blumen und ein Geschenk überreicht. Ihre Noten setzen die Bestmarken des Jahrgangs. Die Wertschätzung geht nicht nur in Richtung der Besten, auch an diejenigen wird gedacht, die es nicht geschafft haben, wiederholen oder eine Nachprüfung machen müssen: „Für diese Herausforderung wünschen wir euch Kraft und Glück,“ sagen Nele und Ilayida.

„Und“, fragt schließlich Eren, „sind wir heute wieder aufgeregt?“ Oder vielleicht eher zufrieden und stolz, weil sie es geschafft hätten. „Stolz statt Aufregung, das gefällt mir gut“, sagt Nils. Stolz ist auch Doris Dingwerth, „auf unsere Schülerinnen und Schüler, auf die Kolleginnen und Kollegen und auf das gesamte Team, das diese tolle Feier vorbereitet und durchgeführt hat.“ Dann kann man doch in einigen Monaten getrost mal fragen: Weißt du noch?

Abschlussschüler:innen der Berufsfachschule Typ I und II