Zugegeben: Der Blick auf den Jahres-Kalender verspricht Entspannung pur. Noch satte vier Monate bis zu den Sommerferien. Und noch fünfeinhalb bis zum möglichen Start ins Berufsleben am 1. August. Da ist doch noch Zeit genug. Also Beine hoch und die winterliche Ruhe genießen? Wer so denkt, rutscht schnell ins berufliche Abseits. Alle Schülerinnen und Schüler, die im Sommer ihre Karriere starten wollen, müssen nun Voll-Gas geben. Für Rabia El Khalil von der Arbeitsagentur in Rheine ist die Ausgabe der Halbjahres- Zeugnisse der ultimative Startschuss für die intensive Suche nach einem Ausbildungsplatz: „Ich rate allen, sich sehr zeitnah mit ihren Berufswünschen auseinander zu setzen und aktiv zu werden.“ Das ist ihre unmissverständliche Botschaft an die vier Klassen der Handelsschule, die den kurzen Weg von den Kaufmännischen Schulen zur Arbeitsagentur auf der anderen Seite der Dutumer Straße gefunden haben.
Unter Nachbarn kennt man sich natürlich. Und so ist die Berufsberaterin für die jungen Besucher:innen keine Unbekannte. Die meisten von ihnen haben bereits in Einzelterminen mit ihr gemeinsam ausgelotet, welchen beruflichen oder schulischen Weg sie nach dem Erreichen der Mittleren Reife einschlagen könnten. Eine Vorstellungsrunde entfällt also, es geht gleich los – mit einem Blick auf bewegte Bilder. In einem Film erzählen Erwachsene über ihre Berufswünsche – wie Pilot oder Berufsfußballer. Doch bei genauerer Betrachtung stellte sich schnell heraus, dass die Fähigkeiten und Begabungen dann doch nicht zu den Anforderungen passten. „Träume sind schön“, sagt Beraterin El Khalil dazu. „Doch lassen sich diese auch realisieren? Stimmen meine Interessen und Neigungen mit den Ansprüchen der Unternehmen überein?“ Diese Fragen sollten sich die Jugendlichen schon stellen. Sie plädiert für eine intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Person und der Frage: Passt der angestrebte Beruf wirklich zu mir?

Damit der Start ins Berufsleben kein Fehlstart wird, folgt der nächste Baustein: Intensive, fundierte Recherche nicht ins berufliche Blaue hinein, sondern nach perfektem Plan. Welche Fächer sind im Vorfeld wichtig, welche Noten werden verlangt, was muss ich an sozialen Kompetenzen mitbringen? Und weil die Recherche nach den immer gleichen und oft bekannten Ausbildungen langweilig ist, gibt Rabia El Khalil den Schüler:innen die Berufe vor. Mal über den Tellerrand schauen. Der Erkenntnisgewinn lässt sich an dieser Schüler- Stellungnahme ablesen: „Ich wusste gar nicht, dass es so viele verschiedene Ausbildungsmöglichkeiten gibt.“ Ziel erreicht.
Welche Möglichkeiten sich im Berufsinformationszentrum (BIZ) bieten, erfahren die Handelsschüler:innen hautnah: Überblick über die Berufsperspektiven im Kreis Steinfurt, Hilfestellung bei den Bewerbungen und Beratungen zu Einstellungstests und Gesprächen in Unternehmen. Dass der nachbarschaftliche Kontakt nicht abreißt, dafür sorgt Lehrerin Petra Stegemann, die eng mit Rabia El Khalil zusammenarbeitet und schon wieder die nächsten Einzeltermine geplant hat. Gute Nachbarschaft eben.

„Das Thema Berufsvorbereitung wird vom ersten Schultag an ins Visier genommen“, sagt Doris Dingwerth, Leiterin der Handelsschule. „Es steht als eigenständiges Fach im Stundenplan und rückt so jede Woche wieder neu ins Blickfeld unserer Schüler:innen.“ Ein unschätzbarer Vorteil. Das dreiwöchige Praktikum werde ebenso vor- und nachbereitet wie anschließend die Suche nach einem passgenauen Ausbildungsplatz. „Das sehen wir als wichtige Aufgabe der Handelsschule an und unterstützen dabei die Schüler:innen, fördern aber auch die Eigeninitiative,“ stellt Dingwerth heraus.
Danach wird ein weiterer Baustein gesetzt. Berufs-Schülerinnen und Schüler aus dem eigenen Haus geben sich die (Handelsschultür-)Klinken in die Hand. Zahnmedizinische/Medizinische und Rechtsanwalts- und Notar-Fachangestellte sowie die Kaufleute aus verschiedenen Sparten sind als Botschafter:innen ihrer Berufe schon altersmäßig auf gleicher Höhe. Das passt. „Ihr könnt uns alles fragen, auch, was wir verdienen“, hier gibt es keine Tabus. Und auch der Leiter der Höheren Handelsschule wird noch vorbeischauen und erklären, was er gerne (an guten Noten) und was er nicht (an unentschuldigten Fehlstunden) auf den Zeugnissen lesen würde, wenn eine Zusage erfolgen soll.
„Hinzu kommt ein Besuch des Textilunternehmens Setex in Rheine“, verspricht Petra Stegemann interessante Informationen aus erster (Unternehmer-)Hand für den März. Und dass im Unterricht Bewerbungs-Gespräche geprobt werden, ist klar. „Wir haben noch einiges zu tun“, sagt Doris Dingwerth mit Blick aufs wöchentliche Trainingslager in Sachen Ausbildung, damit die Handelsschüler:innen am 1. August bei den Unternehmen ganz oben auf dem Treppchen stehen. Ganz sicher also: die winterliche Ruhe ist vorbei.

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Besuch unter Nachbarn: Vier Klassen der Handelsschule informierten sich nacheinander bei Rabia El Khalil (vorn, rechts) über das Berufsinformations- Zentrum der Agentur für Arbeit.