Das sieht schon merkwürdig aus: Moderator Elio Papa betritt ganz ungeniert mit einem Rucksack die Bühne. Gnadenlos unpassend für eine Abschlussfeier. Finden zumindest Lara Bülter und Robin Wing. Überall in der Aula sitzen festlich gekleidete Schülerinnen und Schüler mit ihren Eltern. Die Damen sorgfältig geschminkt, die Haare in Bestform. Viele der Herren im feinen Zwirn, zum Teil mit korrekt sitzender Krawatte. Ein schönes Bild. Und dazwischen der modische Super-GAU: ein Moderator mit Rucksack. „Was hast du da drin? Schulbücher?“, ätzt Lara und verdreht die Augen angesichts dieses unentschuldbaren Stilbruchs. „So´ n Quatsch“, kommt prompt die Antwort. Aufreizend langsam setzt Elio den Rucksack ab, öffnet den Reißverschluss und – holt eine Flasche Sekt heraus. Und Sekunden später prostet sich das Moderatoren-Trio auf der Bühne zu und trinkt auf das Ende der Schulzeit. Ein spritziger Beginn der Abschlussfeier in den Kaufmännischen Schulen, die zum ersten Mal in dieser Form stattfindet, denn es ist ausschließlich eine Zeugnisausgabe für die Schülerinnen und Schüler der Internationalen Förderklasse (IFK) und der Handelsschule (HSA und HSB). Über die Premiere „einer eigenen Feier für die Berufsfachschule freue ich mich sehr“, meint denn auch Schulleiter Ralf König.  Foto rechts: Ehrung der Besten

„Ein Jahr ist zwar im Leben eines Menschen keine so lange Zeit“, findet Robin. „Aber es war für uns alle ein sehr bedeutsames Jahr, weil wir einen wichtigen Schritt in Richtung Berufsausbildung oder unserer weiteren Schullaufbahn gemacht haben.“ Und weil es ein entscheidendes Schuljahr war, hat sich das Vorbereitungs-Team für das Motto „Weißt du noch…?“ entschieden. Gleich zu Beginn flimmert eine Foto-Collage über die Leinwand in der Aula. Fotos sind zu sehen vom Team-Training, vom Fußballturnier, vom Experten-Tag mit Unternehmens-Vertretern, ergänzt durch Schnappschüsse aus den Klassen. Jede Menge los in diesem einen Jahr an den Kaufmännischen Schulen!

Und während Lara und Robin noch darüber rätseln, ob der Schulleiter das Alkoholverbot auch an diesem Tag ernst nimmt, hat Elio schon ein Glas Sekt eingegossen und begrüßt Ralf König auf der Bühne. „Ich bin mir sicher, dass Sie sich in vielen Jahren noch daran erinnern werden, wie sie mit mir auf der Bühne Sekt getrunken haben“, antwortet König auf seine Weise, hebt das Glas und lässt den 19-er Jahrgang hochleben. „Ich hoffe, dass Sie die Zeit an unserer Schule dazu genutzt haben, sich gut auf das Berufsleben vorzubereiten“, sagt der Schulleiter. „Ich wünsche Ihnen allen für Ihr berufliches und privates Leben alles Gute und viel Glück.“ Während Lara sich bei König bedankt und die Abschlussfeier als eine „besondere Form der Wertschätzung“ empfindet, sagt er „Auf Wiedersehen“. Denn viele werden im kommenden Schuljahr entweder in der Höheren Handelsschule (HH) oder in der Berufsschule den „Kaufmännischen“ die Treue halten.
Wie etwa Moderator Robin Wing, der vor zwei Jahren in der HSA begann, jetzt die HSB abschließt, nun in die HH wechselt und nach eigener Aussage für die „vielen Bildungschancen an dieser Schule“ steht.
Gekonnt kurzweilig führt das Trio durch das Programm, lässt immer wieder Sprüche, kurze Texte oder sogar Gedichte von den Mitschülerinnen und Mitschülern einfließen. Da ist von der „Flucht aus dem Rotstiftmilieu“ ebenso die Rede wie „von den Schlauen, die jetzt gehen können, und den Lehrern, die bleiben müssen“. Die Texte, die die Klassen angefertigt haben, lassen die Höhen und Tiefen des Schuljahres wieder aufleben, sprechen von Streit und Versöhnung, enthalten den Dank an die Lehrerinnen und Lehrer („die viel aushalten mussten“) und würdigen deren Bemühen, „uns etwas beizubringen“. Sie berichten von Fluchtgedanken aus dem Unterricht und der Sehnsucht nach dem eigenen Bett in der ersten Stunde. Nachdenkliches und Witziges unter dem Motto „Weiß du noch…“.
Einen sehenswerten Farbtupfer setzt die IFK zwischendurch mit der Präsentation eines eigenen Filmes. Viel Beifall ist der Lohn des künstlerischen Engagements vor und hinter der Kamera. Und wenn Elio die Gläser füllt, steht der nächste Programmpunkt an: Sadaf Rasuli und Kristina Weiz sprechen für die fünf Klassen. Weißt du noch: Der Blick geht zurück in die Zeit vor gut zehn Monaten, als sich alle schon einmal in der Aula versammelt hatten. Große Aufregung – und Fragen über Fragen: Was erwartet uns in der neuen Schule, in der neuen Klasse. Wie sind die Mitschüler, wie die Lehrer?
Diese Aufregung habe sich schon nach einigen Tagen gelegt. „Man hat schnell gemerkt, dass hier eine herzliche Atmosphäre herrscht, unter den meisten Schülerinnen und Schüler, aber auch im Umgang der Lehrerinnen und Lehrer mit den Klassen. Da wurde man dann ein wenig entspannter“, erinnert sich Sadaf. Kristina meint, dass viele nicht nur gut mit den Klassenkameraden zusammengearbeitet, sondern sogar Freunde, vielleicht fürs Leben, gefunden haben: „Auch das ist für uns Sinn von Schule. Sich auf andere Menschen einzulassen und mit ihnen dann ein Stück des Lebensweges zusammen gehen. Oder den ganzen Rest.“ Sadaf ergänzt lächelnd: „Manche haben hier ja sogar ihre große Liebe gefunden.“
Beide bedanken sich beim Lehrerkollegium, bei den Eltern und den Freundinnen und Freunden für die Unterstützung in stressigen Schulzeiten. „Und nun stehen wir wieder hier, nicht mehr so aufgeregt, aber sehr stolz auf unseren Abschluss. Seid stolz auf eure Leistung, feiert heute diese Leistung und baut darauf auf,“ lautet ihr Fazit.
Faire Geste: Die drei Moderatoren schließen am Ende in ihre guten Wünsche auch die Schülerinnen und Schüler ein, die es nicht geschafft oder nach den Ferien eine Nachprüfung machen müssen: „Wir wünschen euch viel Kraft.“
Dann heißt es: klassenweise Aufstellung zur Zeugnisübergabe. Schulleiter Ralf König ehrt anschließend auch die Besten: Sadaf Rasuli (Durchschnitt 1,5 / IFK) Celina Meider (1,0 / HSA); Justin Notthoff (1,4) und Ramona Wegmann (1,4 / beide HSB 1); Robin Wing (1,4 / HSB 2) und Nevena Chupetlovska (1,2 / HSB 3).
Doch die Übergabe ist keine Einbahnstraße: Die Klassen haben Präsente vorbereitet und überreichen sie unter dem Beifall des Publikums an die Klassenlehrerinnen und -lehrer. Dabei hat der ein oder andere dann doch einen Kloß im Hals, das ein oder andere Tränchen fließt. Auch das gehört zu den Erinnerungen an diese erste Abschlussfeier der Berufsfachschule, wenn es heißt „Weißt du noch…?“