Kein Zweifel: Das war für Milena Lehmkühler, Miriam Hofschröer und Jennifer Wieczorek mit absoluter Sicherheit die umfangreichste Hausarbeit ihrer gesamten Schulzeit. Das Trio aus der Jahrgangsstufe 13 des Wirtschaftsgymnasiums an den Kaufmännischen Schulen investierte satte 12 Monate Maloche in die Lösung der Mammut-Aufgabe. Und die war nicht nur sehr zeitintensiv, sondern auch recht ungewöhnlich: „Organisation eines Konzertes“ – das hatte ihr Lehrer Claus Schrichten ihnen ins Hausaufgaben-Heft geschrieben. Die vierte Auflage von „Rheine rockt“ auf die Bühne zu bringen, dies war die nicht(schul)alltägliche Herausforderung. Die drei Schülerinnen haben sie mit Bravour bestanden. Und noch satten Gewinn gemacht. 1000 Euro übergeben sie an Sabine Busch-Murray vom Kinderschutzbund Rheine und an Ulla Freermann sowie Annika Ketteler von der Hilfsorganisation roterkeil.net. Schule einmal anders: Banknoten statt Schulnoten. 

Foto: Banknoten statt Schulnoten, die Schülerinnen überreichen 1000 Euro : Ulla Freermann (roterkeil), Milena Lehmkühler, Jens Heider (Förderverein), Jennifer Wieczorek, Claus Schrichten (Fachlehrer), Sabine Busch-Murray Kinderschutzzentrum), Miriam Hofschröer, Annika Ketteler (roterkeil)
(von links nach rechts)  

Im Mehrzweckraum berichten die drei Schülerinnen aus dem Kurs „sozial genial“ von ihrer recht langen To-do-Liste: mit der Stadt Rheine die notwendigen Gespräche führen, die vier Bands akquirieren, einen Getränkestand planen, einen Imbisswagen organisieren, Sanitär- und Sanitätsdienst buchen und überhaupt: Wie läuft das eigentlich alles zu Corona-Zeiten? Wer kontrolliert und wie? Und wer macht hinterher wieder Ordnung in Rheines guter Stube? Wie ist das eigentlich mit dem Lärmschutz?  Ganz sicher: Es war die umfangreichste Hausaufgabe ihrer Schulzeit. Persönliche Gespräche, Telefonate, Emails und immer wieder Absprachen mit dem Kurslehrer – es gibt schnellere (und einfachere) Wege zu einer ansprechenden Note zu kommen. Aber kaum spannendere. Und so freuten sich die drei Organisations-Talente riesig, als „Bourbon Connection“, „Teacup Universe“, „Softcover“ und „Hörbar“ schließlich zugesagt hatten.  

Bei der Spendenübergabe in der Schule zeigen sie Aufnahmen vom Konzert auf dem Staelschen Hof. Viele Zuhörer in bester – coronakonformer – Stimmung, mitsingende, tanzende Menschen – alle für ein paar Momente unbeschwert in schweren Zeiten. Und auch das Catering trifft den Geschmack der Gäste, die Kasse klingelt. Also hieß es abends: endlich zurücklehnen. Nicht ganz, winken die Drei ab. „Die Abbauarbeiten dauerten dann doch bis vier Uhr nachts. Wie gesagt, es gibt einfachere Möglichkeiten, eine gute Note… 

Viel Lob für das Schülerinnen-Engagement findet Sabine Busch-Murray, Leiterin des Kinderschutzzentrums in Rheine, das bei sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche seit 1987 (seit 2009 zertifiziert) ein kompetenter Ansprechpartner ist. „Sexuelle Gewalt ist auch auf dem Lande ein Thema, nur Infos und Beratung reichen da nicht“, meint Busch-Murray. Sie setzt auf Prävention in Kindergärten und Schulen. „Wir müssen früh anfangen, Kinder zu stärken, damit sie nicht Opfer werden.“ Auch die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die sich sexuell grenzverletzend verhalten haben, gehört zum Aufgabengebiet. Ziel der Therapie ist es, sexuelle Grenzverletzungen zu vermeiden und den Kindern und Jugendlichen dabei zu helfen, eine positive Lebensvision zu entwickeln, in der sie ihre eigenen Bedürfnisse angemessen befriedigen, ohne dabei anderen Kindern und Jugendlichen zu schaden. 

Sabine Busch-Murray sensibilisiert ihre Zuhörer:innen für das Thema, spricht die „Unmengen von Pornographie im Internet“ ebenso an wie die Tatsache, dass im Kreis Steinfurt der Beratungsstelle im Jahr etwa 600 Kinder bekannt werden, die Gewalt erleben. Davon sei inzwischen fast die Hälfte auch oder ausschließlich von sexueller Gewalt betroffen. 

Und eine Meinung zu den Gesundheitsmaßnahmen in Corona-Zeiten hat sie auch: „Sie sind berechtigt, aber sie vergessen immer wieder die Kinder und Jugendlichen.“ 

Mit einem „Super, super, super“ bedankt sich Ulla Freermann bei den Schülerinnen und versichert, dass ihre Spende „eins zu eins an die Hilfsprojekte weitergeleitet“ wird. Sie freut sich, dass die Schülerinnen das Thema des sexuellen Missbrauchs ins Bewusstsein der Öffentlichkeit bringen: „Ihr seid wie ein Stein, den man ins Wasser wirft und der Wellen schlägt, die sich immer weiter ausbreiten.“ Roter Keil net. und das Kinderschutzzentrum arbeiten schon lang Hand in Hand.  

Jens Heider, stellvertretender Vorsitzender des unterstützenden Fördervereins der Schule, würdigt die „tolle Veranstaltung, die ihr auf die Beine gestellt habt“ und findet, dass die beiden Empfänger der Spende gut gewählt sind. „Da ist das Geld sinnvoll eingesetzt, da bin ich sicher.“ Und er vergisst auch nicht, Lehrer Claus Schrichten für sein Engagement zu danken. 

 „Mit dem Kurs ,sozial genial´ wollen wir einerseits das soziale Engagement unsere Schüler:innen fördern, andererseits aber auch Kompetenzen im Projekt-Management vermitteln“, erläutert Schrichten die Unterrichts-Ziele. Sein Dank geht an die Volksbank Münsterland Nord eG, die die Ton- und Bühnentechnik sponsorte.  

Banknoten hin oder her. Was ist nun mit den Noten für die umfangreichste Hausaufgabe der drei Organisatorinnen? Man könnte sie vielleicht in Anlehnung an die Spendensumme vergeben. Und da es glatte Nullen bei Noten nicht gibt…