Eine Kooperation zwischen der Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft Steinfurt (WESt) und den Kaufmännischen Schulen Rheine? Das hört sich zunächst ungewöhnlich an. Schließlich unterstützt die WESt im Kreis Steinfurt in erster Linie Unternehmen sowie Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft.  Bereits während der Unterzeichnung des Kooperationsvertrages, bei der Birgit Neyer (Geschäftsführerin der WESt), Tobias Ebbing (zuständig für die Gründungsberatung, den Unternehmensservice, und die Fördermittelberatung bei der WESt), Schulleiter Ralf König und Lehrer Tobias Raue (Ansprechpartner für die Gründerwerkstatt der Kaufmännischen Schulen) anwesend waren, wurde jedoch deutlich, dass eine solche Kooperation durchaus ihre Berechtigung hat: So nutzten die ebenfalls anwesenden Schülerinnen und Schüler der Kaufmännischen Schulen, alles Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der diesjährigen Wettbewerbsrunde des „Deutschen Gründerpreises für Schüler:innen“, den feierlichen Rahmen, um ihre Wettbewerbsideen vorzustellen und ein erstes Feedback von Seiten der WESt einzuholen.

Viel Lob bekamen ihre selbst entwickelten Gründungsideen zur Entwicklung und Vermarktung einer Fahrradaufhängung bzw. von Boxen für verschiedene Anwendungsgebiete („bix“), von Indikatorstreifen zur Identifizierung von K.-o.-Tropfen in Getränken („No KO“) und eines Tablets speziell für Seniorinnen und Senioren („Heidi“). Lernende auf dem Weg in die berufliche Praxis zu begleiten, sei es im Rahmen derartiger Projekte oder im Schulalltag, – so könnte man auch den Leitgedanken dieser Kooperation beschreiben. Weitere Ziele der Zusammenarbeit erläutern Birgit Neyer, Ralf König und Tobias Raue im Interview:

Birgit Neyer

Sie sind Geschäftsführerin der WESt. Können Sie in aller Kürze beschreiben, was die Aufgaben einer Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft sind?
Birgit Neyer:

Die Aufgabe einer Wirtschaftsförderung ist es, ein unternehmensfreundliches Klima zu schaffen und zu bewahren. Wie macht man das und was gehört dazu?

Diese Frage interpretiert jede Wirtschaftsförderungseinrichtung auch vor dem Hintergrund der Wirtschaftsstruktur vor Ort anders – und damit werden in jeder Region auch unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt.

Wir im Kreis Steinfurt sind mittelständisch geprägt mit einem gesunden Branchenmix. Wir legen einen Schwerpunkt darauf, die Innovationskraft in Unternehmen zu stärken und die neuen digitalen Ansätze in Unternehmen zu integrieren. Wir wissen, dass hier viele Chancen für Unternehmen liegen. Das tun wir, indem wir Unternehmen mit Professoren und Studierenden der FH Münster vernetzen, Digitalisierungsprojekte umsetzen, Best Practice Beispiele vorstellen und Fördermittel- und Innovationsberatungen anbieten.

Zu unserer Arbeit gehört auch, dass wir Lösungsansätze für Probleme in der Region entwickeln. Bei uns ist das z. B. der Fachkräftemangel. Hier haben wir einen Schwerpunkt in der Förderung des MINT-Nachwuchses gesetzt, weil viele der sehr technischen Unternehmen hier einen hohen Bedarf haben. Wir machen über einen großen Wettbewerb, den wir organisieren, Employer Branding Maßnahmen bekannt und unterstützen Unternehmen auf ihrem Weg, noch attraktivere Arbeitgeber für gute Fachkräfte zu sein.

Eine wichtige Aufgabe für uns als Wirtschaftsförderung ist auch, die Gründungsquote zu steigern und Menschen für die Selbstständigkeit zu begeistern: Schließlich wollen wir neue Firmengründungen vor Ort haben. Ansiedlungen von Unternehmen gehören ebenfalls zum Portfolio einer Wirtschaftsförderung.

Eine Kooperation zwischen Ihrem Unternehmen und einer Schule erscheint eher ungewöhnlich. Können Sie erklären, warum Sie sie trotzdem möglich gemacht haben?
Birgit Neyer:

Vielleicht auf den ersten Blick ungewöhnlich, auf den zweiten Blick auf jeden Fall eine gute Idee: Unser Ziel als Wirtschaftsförderung ist es ja auch, zu zeigen, dass die Gründung eines Unternehmens kein Hexenwerk ist und dass man dieses – wie vieles andere im Leben auch – lernen kann. Gerne stellen wir unser Know-how und unser Netzwerk zur Verfügung, um die Schülerinnen und Schüler beim Gründungswettbewerb zu unterstützen.

Wir als WESt bieten übrigens auch Unternehmen aus dem Kreis Steinfurt die Möglichkeit an, sich mit Schulen zu vernetzen. Das kommt gut an, weil Schülerinnen und Schüler so ein realistisches Bild von der Arbeitswirklichkeit bekommen. Außerdem lässt sich der Unterricht viel lebendiger gestalten, wenn man vielleicht auch mal das eine oder andere Projekt direkt im Unternehmen umsetzen kann.

Was erhoffen Sie sich von dieser Kooperation?
Birgit Neyer:

Wir hoffen auf einen lebendigen Austausch! Gerne stehen wir auch über den Gründungswettbewerb zur Verfügung. Für uns ist auch spannend zu erfahren, was sich die Schülerinnen und Schüler von zukünftigen Arbeitsgebern erhoffen. Auch an dieser Stelle können wir prima Kontakte zu Unternehmen herstellen. Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit!

Ralf König

Wie passt die Kooperation mit der WESt in die Leitziele und -gedanken der Kaufmännischen Schulen?  
Ralf König:

Ich würde bei der Beantwortung dieser Frage nicht nur auf unsere konkreten Leitziele eingehen wollen, sondern eher die gleichen Ziele der WESt und der Kaufmännischen Schulen Rheine in den Blick nehmen: Beide Institutionen sind eng mit dem Kreis Steinfurt verwoben und tragen dazu bei, den Wirtschaftsstandort “Kreis Steinfurt” zu sichern bzw. zu stärken. Natürlich ist es heutzutage wichtig, Ausbildung im Kreis zu halten, damit der Region die Fachkräfte erhalten bleiben, die für eine weitere positive Entwicklung im Kreis Steinfurt notwendig sind. Auch das Vorantreiben der Digitalisierung ist ein gemeinsames Ziel unserer Schule und der WESt, das zeigt, dass beide Institutionen ganz nah beieinander sind. Ich denke, dass man sogar so weit gehen könnte, das Vorhandensein unseres Berufskollegs selbst als Wirtschaftsförderung zu bezeichnen, weshalb sich eine Kooperation quasi aufdrängt.

Warum haben an einem Berufskolleg die Kooperationen mit außerschulischen Partnern einen so hohen Stellenwert?
Ralf König:

Anders als allgemeinbildenden Schulen stehen berufsbildende Schule durch ihre Schülerschaft ständig in Kontakt mit außerschulischen Partnern, da der Prüfungserfolg der Auszubildenden abhängig ist von der guten Zusammenarbeit zwischen Ausbildungsbetrieb und Berufsschule. Beide Partner sind für die Ausbildung verantwortlich und sollten deshalb an einem Strang ziehen. Aber auch andere außerschulische Partner wie z.B. die WESt oder die verschiedenen Kammern sind für uns als Schule wichtig, da sie unseren Schülerinnen und Schülern verschiedenste Dinge ermöglichen. Aktuell unterstützt uns die WESt zum Beispiel im Bereich des Wirtschaftsgymnasiums, wo Schülerinnen und Schüler eine konkrete Beratung zum Bereich “Unternehmensgründung” erhalten.

Was erhoffen Sie sich von der Kooperation mit der WESt?
Ralf König:

Meine Hoffnungen sind sehr konkret und haben sich bereits bei unserem ersten Treffen erfüllt: Leider steht uns die Stadtsparkasse Rheine nicht mehr als Partner beim Deutschen Gründerpreis zur Verfügung. Sicherlich ist bekannt, dass unsere Schule bei diesem Wettbewerb Deutschlands erfolgreichste Schule ist, und ohne einen kompetenten Partner im Bereich “Unternehmensgründung” fehlt unseren teilnehmenden Schülerinnen und Schülern ein wichtiger Baustein zum Erfolg. Ein erstes Treffen unserer Spielgruppen mit Frau Neyer und Herrn Ebbing hat mir gezeigt, dass wir unseren bisherigen Partner sehr gut ersetzen konnten.

Tobias Raue

Wie kam es zu der Kooperationsvereinbarung zwischen der WESt und den Kaufmännischen Schulen Rheine?
Tobias Raue:

Ich wollte gerne wieder einen Partner aus der Praxis an der Seite der Schüler:innenteams, die sich jedes Jahr mit viel Herzblut an die Entwicklung neuer Produkte machen. Die WESt stand ganz oben auf meinem Wunschzettel und – das war wirklich spannend – kam nach der Ehrung zum „Lehrer des Jahres“ auf mich zu: „Ob man uns denn auch irgendwie unterstützen könne,“ war die Frage, die wir in einem sehr offenen und netten Gespräch direkt mit „Ja“ beantworten konnten. Es zeigten sich schnell gemeinsame Interessen, Schnittstellen und Perspektiven und so haben beide Seiten einen Gewinn in einer langfristigen Kooperation gesehen.

Wie kam es zu der Kooperationsvereinbarung zwischen der WESt und den Kaufmännischen Schulen Rheine?
Tobias Raue:

Ich wollte gerne wieder einen Partner aus der Praxis an der Seite der Schüler:innenteams, die sich jedes Jahr mit viel Herzblut an die Entwicklung neuer Produkte machen. Die WESt stand ganz oben auf meinem Wunschzettel und – das war wirklich spannend – kam nach der Ehrung zum „Lehrer des Jahres“ auf mich zu: „Ob man uns denn auch irgendwie unterstützen könne,“ war die Frage, die wir in einem sehr offenen und netten Gespräch direkt mit „Ja“ beantworten konnten. Es zeigten sich schnell gemeinsame Interessen, Schnittstellen und Perspektiven und so haben beide Seiten einen Gewinn in einer langfristigen Kooperation gesehen.

Was erhoffen Sie sich in diesem Zusammenhang von der Kooperation mit der WESt?
Tobias Raue:

Ich wünsche mir weiteren Kontakt und reale Begegnungen mit dem Gründungsnetzwerk in der Region. Die Schüler: innen sollen erfahren, welche Unterstützung ihnen im Kreis zur Verfügung steht, welche Akteure eine Rolle spielen und worauf es bei einer Gründung ankommt. Über die WESt möchten wir ein wenig tiefer einsteigen. Und so viel sei gesagt: es hat schon funktioniert. Darüber hinaus ist es natürlich immer spannend, die Lernräume zu öffnen und mit der betrieblichen Praxis in Kontakt zu kommen.