Peter Gärthöffner von der AXA-Agentur kennt das Problem. „Ich habe 30 Jahre lang ausgebildet und sicher fünf Mal so viele Gespräche mit Bewerberinnen und Bewerbern geführt.“ Und oft waren sich Ausbilder und Auszubildende(r) schnell einig. „Das Problem begann aber immer dann, wenn ich auf die Berufsschule in Münster zu sprechen kam“, erinnert sich Gärthöffner. Da reagierten viele potenzielle Azubis mit skeptischem Stirnrunzeln. Zu langer Anfahrtsweg. Zu viel Zeitverlust. Zu viel Umstand. „Und einige Tage später kam die Absage“, ärgert er sich noch heute. Dieses Ausbildungs-Hindernis könnte schon bald ganz einfach überwunden werden. Die Kaufmännischen Schulen in Rheine möchten zum Start des neuen Ausbildungsjahres am 1. August 2022 angehende Kaufleute für Versicherungen und Finanzanlagen in der Berufsschule begrüßen. Interessiert an diesem Ausbildungs-Angebot sind neben Peter auch Lisa Gärthöffner, Nicolas Fays (Allianz), Versicherungsmakler Simon Foullois, Sascha Mönnig (LVM) und Philipp Roß (Provinzial). Sie trafen sich mit Schulleiter Ralf König und Fachlehrer Thomas Miethe zu einem intensiven Erfahrungsaustausch.

„Wir möchten den schulischen Teil der Ausbildung gern in den Kreis Steinfurt holen“, sagt Schulleiter Ralf König. Und verdeutlicht, dass die Kaufmännischen Schulen rund 250 Versicherungen und Agenturen angeschrieben haben, um auszuloten, ob Interesse besteht. „Die Resonanz ist positiv, die Bereitschaft auszubilden ist da. Und es ist doch ein Glücksfall, wenn Unternehmen aus Rheine und Umgebung ihre Auszubildenden nicht mehr nach Münster schicken müssen, sondern die Berufsschule direkt vor der Haustür haben.“ Gerade die sehr gute Verkehrsanbindung sieht König als großes Plus. „Vom Bahnhof aus gehen unserer Schüler:innen einmal über die Straße, dann sind sie im Gebäude.“ Die neue Initiative der Kaufmännischen Schulen steht für den Schulleiter auch im Zusammenhang mit dem ständigen Bemühen des Kreises Steinfurt „Auszubildende aus dem Kreis im Kreis zu halten.“ Von daher gebe es von dieser Seite grünes Licht, ebenso wie übrigens auch von der IHK, der Agentur für Arbeit und der Bezirksregierung in Münster.
Für die LVM, dessen Auszubildende traditionell in Münster unterrichtet werden, könnte das neue Angebot eine Alternative sein. „Gerade unsere Außendienst-Auszubildenden“, sagt Sascha Mönnig, „könnten auch genauso gut nach Rheine fahren.“ Er sieht hier eventuell auch einen Schub für junge Leute, sich für eine Ausbildung im Bereich Versicherungen zu entscheiden: „Inhaltlich ist das eine sehr spannende Ausbildung, die obendrein im Vergleich zu anderen kaufmännischen Ausbildungen auch finanziell sehr attraktiv ist.“ Philipp Roß von der Provinzial hat einen anderen Vorteil ausgemacht: „Je mehr Auszubildende von verschiedenen Versicherungen und Agenturen zusammenkommen, desto intensiver und interessanter wird der Austausch zwischen ihnen sein.“

Fachlehrer Thomas Miethe, der gemeinsam diesen Berufsschul-Bildungsgang aufbauen wird, stellt die Schnittmenge zu den Bankkaufleuten heraus: „Fachlich werden wir das sehr gut leisten können.“ Sein Hinweis auf zwei feste Berufsschultage mit zum Beispiel 5 und 7 Schulstunden stößt bei Nicolas Fays auf Zustimmung: „Aufgrund der kurzen Fahrzeit können die Auszubildenden an einem der beiden Schultage noch nachmittags arbeiten, haben den zweiten aber komplett frei.“ Simon Foullois spricht einen organisatorischen Aspekt an und möchte von Schulleiter König wissen, ob die Chance vertan ist, wenn sich in diesem Schuljahr keine 22 Schüler:innen anmelden. Da kann Ralf König beruhigen: „Dann machen wir 2023 einen neuen Versuch, aber schöner wäre ein Start noch in diesem Jahr. Wir sind bereit.“
Um das zu erreichen, wollen alle an einem Strang ziehen und für die neue Klasse die Werbetrommel rühren. Über Anzeigen wird gesprochen, über Mund- zu-Mund-Propaganda in den Agenturen, schließlich erfolgt die Bitte an Schulleiter König, noch einmal ein Erinnerungsanschreiben herauszuschicken, damit sich möglichst viele angehende Auszubildende über schüler-online für den Standort Rheine entscheiden. Das Versprechen kann er geben.
Im Gespräch zwischen den Kaufmännischen Schulen und den Vertretern der Versicherungs-Unternehmen ist am Ende durchaus so etwas wie Aufbruchstimmung zu spüren. Und Peter Gärthöffner ist zu wünschen, dass er ein(e) Auszubildende(r) irgendwann einmal für seinen Betrieb gewinnt mit dem zusätzlichen Argument: Die Berufsschule ist in ganz nah – in Rheine.

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Die Kaufmännischen Schulen möchten ab dem 1. August 2022 Kaufleute für Versicherungen und Finanzanlagen ausbilden. Darüber sprachen Fachlehrer Thomas Miethe und Schulleiter Ralf König mit Sascha Mönnig (LVM), Versicherungsmakler Simon Foullois, Philipp Roß (Provinzial), Nicolas Fays (Allianz), Peter Gärthöffner und Tochter Lisa Gärthöffner (beide AXA) (von links).